Frühkindliche Hornhauttrübungen als Ursache einer Formdeprivationsmyopie (FDM)

M. Müller1,2, C. Meyer2, G. I. W. Duncker3
1 Augenklinik Marienhospital, Osnabrück
2 Augenklinik, Medizinische Universität zu Lübeck
3 Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universität Halle


Einleitung: Klinische Beobachtungen an Scrophulosa-Patienten zeigten bei den in früher Jugend erkrankten Patienten häufig eine hohe Myopie. Dies läßt vermuten, daß experimentelle Studien, welche bei Tieren durch Mattgläser eine Achsenmyopie erzeugen konnten (die sogenannte Formdeprivationsmyopie FDM), auch beim Menschen gültig zu sein scheinen.

Methodik: In einer retrospektiven Studie an der Augenklinik Osnabrück sowie den Universitäten Kiel und Lübeck untersuchten wir 187 Scrophulosa- Patienten, die eine perforierende Keratoplastik bekommen hatten auf Erkrankungsalter, Refraktion, Achsenlänge und postoperativen Visus. Da das Augenwachstum des Menschen eine frühkindliche schnelle und eine langsamere juvenile Phase hat, unterteilten wir unser Kollektiv anhand des Erkrankungsalters in Patienten, die bis zum vollendeten 4. Lebensjahr (Gruppe I) und Patienten, die ab dem 5. Lebensjahr (Gruppe II) erkrankt waren.

Ergebnisse: Die durchschnittliche Refraktion (sphärisches Äquivalent) unserer Scrophulosa-Patienten betrug P4,43 dpt und lag damit fast 5 Dioptrien über der Norm von c0,5 dpt. Patienten, die vor dem 5. Lebensjahr erkrankten (Gruppe I), waren höher myop (P6,68 dpt) als die Späterkrankten (Gruppe II) P1,67 dpt. Die durchschnittliche Achsenlänge war 26,53 mm bei unseren Patienten gegenüber 24,00 mm in der Normalbevölkerung. Bei den früherkrankten Patienten (Gruppe I) betrug die Achsenlänge 27,46 mm und bei den späterkrankten Patienten (Gruppe II) 23,48 mm. In beiden Gruppen war im Verhältnis besonders der Glaskörperraum verlängert. Der mittlere postoperative Visus aller Patienten betrug 0,37. In Gruppe I war das funktionelle Ergebnis mit einem postoperativen Visus von 0,23 und einem Anstieg von 1,6 Linien gering. Dagegen hatten in Gruppe II sämtliche Patienten einen Visus über 0,3. Im Durchschnitt wurde hier ein Visus von 0,54 erreicht, was einem Visusanstieg von 3,4 Linien entspricht.

Schlußfolgerung: In bisherigen Studien zur Entstehung einer Myopie wurden vor allem Tiermodelle benutzt. Eine Überprüfung der Thesen beim Menschen fehlte bisher. Unsere Ergebnisse konnten eindeutig bestätigen, daß eine krankkeitsbedingte Bildstörung das kindliche Augenwachstum auch beim Menschen beeinflußt. Tritt die Schädigung in der frühen sensiblen Phase auf, dann sind die Augen höher myop als bei später Erkrankung. Die funktionellen Ergebnisse nach Keratoplastik sind bei früherkrankten Patienten nicht nur durch Amblyopie, sondern auch durch organische Verlängerung der Netzhaut infolge Häufung hochgradiger Myopie in ihrer Visusprognose eingeschränkt. Hieraus ergeben sich neue Forderungen für die Indikationsstellung. Durch genaue Anamnese und eine Ultraschalluntersuchung kann die postoperative Visusprognose genauer abgeschätzt werden.